Entscheidung des EuGHs: Recht auf Reverse Engineering nach klaren Regeln
Entscheidung des EuGHs: Recht auf Reverse Engineering nach klaren Regeln
Der Europäische Gerichtshof hat vor Kurzem eine weitreichende Entscheidung gefällt. So dürfen rechtmäßige Erwerber von Computerprogrammen berechtigt sein, dieses unter bestimmten Umständen ganz oder teilweise zu dekompilieren. Dies muss zwingend zur Korrektur von Fehlern geschehen, welche die Funktionalität der Software limitieren. Selbst die Deaktivierung fehlerhafter Programmteile ist dabei statthaft.
Notwendige Entscheidung nach Klage gegen das Personalauswahlbüro der belgischen Regierung
Geklagt hatte der IT-Dienstleister Top System aus Brüssel gegen das Personalauswahlbüro der belgischen Regierung. Der Dienstleister hatte für das Büro mehrere Anwendungen programmiert und implementiert. Im Rahmen eines E-Mail-Austausches wurde dem Unternehmen klar, dass das Personalauswahlbüro der belgischen Regierung den Code der Programme dekompiliert hatte, um Fehler im Programm selbst zu beheben. Top System sah die eigenen Rechte verletzt und forderte mit einer Klage Schadensersatz. Da die Beschwerde von der ersten Instanz abgewiesen wurde, rief die nächste Instanz das EuGH an, um Klarheit zur Auslegung der Richtlinie über den Rechtsschutz von Computerprogrammen zu erhalten.
Das Recht ist auch ohne Zustimmung des Herstellers gegeben
Laut dem Urteil des EuGHs ist die Zustimmung des Herstellers für die Dekompilierung nicht notwendig., sofern die engen Grenzen des Gesetzes eingehalten werden. Dabei ist entscheidend, dass der Nutzer die Dekompilierung nur dann durchführen darf, wenn dies zur unmittelbaren Behebung von Fehlern oder Inkompatibilitäten wichtig sei. Andere Begründungen sind nicht zulässig und erfordern weiterhin die direkte und klar kommunizierte Zustimmung des Rechtsinhabers. Zudem ist es wichtig, dass die Dekompilierung unter Einhaltung der mit dem Inhaber des Urheberrechts vereinbarten Bedingungen erfolgt.
Enge Grenzen müssen eingehalten werden
Hier stellt sich selbstverständlich immer die Frage der Nachweisbarkeit. Unternehmen sollten aus diesem Grund in jedem Fall prüfen, ob eine Dekompilierung oder auch ein Nachbau der Software mittels Reverse Engineering sinnvoll und zielführend sind. Den Nachweis zu erbringen, dass durch diese Aktionen wichtige Fehler behoben werden konnten, kann im Einzelfall schwierig sein. Daher ist es dennoch häufig ratsam, zunächst einmal den Hersteller nach der Behebung der Fehler anzufragen. Sollte dieser jedoch nicht tätig werden oder zu lange für die Korrekturen benötigen, haben Unternehmen ab jetzt neue Möglichkeiten. Denn in solchen Fällen sind die Fehler klar dokumentiert und können auch ohne die direkte Zustimmung des Rechtsinhabers selbst korrigiert werden. Durch die Dokumentation der Fehler und durch die Behebung derselbigen liegt nun kein Verstoß gegen die Computerprogramm-Richtlinie 91/250 vor.
Quelle: © MQ-Illustrations/ Adobe Stock
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